Horse AiKiDo – Die Philosophie

Ein Weg der Harmonie mit dem Pferd

Die Bedeutung des Wortes „Aikido” ist in vielerlei Hinsicht interessant. Die drei Silben Ai, Ki und Do werden meist mit Liebe, Harmonie (Ai), geistige oder universale Kraft (Ki) und Weg, Entwicklung (Do) übersetzt. Aikido könnte also „Der Weg der Harmonisierung der Kräfte” genannt werden. Der Begriff Ki ist ein Name für die Lebensenergie wie Prana der indischen oder Qi der chinesischen Kultur. Wir verstehen Ki im Sinne einer universellen Energie, die durch die Natur und die Jahreszeiten sichtbar wird, welche durch uns fließt und sich durch unsere Worte und Gedanken in einer Handlung im Raum ausdrückt.

Das Pferd nimmt diesen Ausdruck im Raum wahr und kann darauf reagieren.

Im tieferen Sinn aber kann das Pferd als erstes unsere wahre Motivation erkennen, also der Ursprung unserer Handlungen. Diesen erkennt es als erstes, und die daraus folgende Bewegung als zweites.

Das Ziel im Aikido ist Harmonie

Auch im HorseAiKiDo strebt der Reiter eine Harmonie mit dem Pferd an. Die bewusste Spiralbewegungen des Aikido wird in verschiedenen Techniken und Übungen in unserer Methode der Pferdearbeit zuerst am Boden und später auch beim Reiten angewandt.

Erlebt man eine Störung der Harmonie, kann der Versuch entstehen, dieser durch eine Aggression zu begegnen.

Den “Angreifer”, hier als Störung wahrgenommen, quasi durch Gegengewalt zu besiegen führt meistens dazu, dass der „Gegner“ sich wiedersetzt, und so ist die nächste Aggression auf diese Weise schon vorprogrammiert.

Zwischen Reiter und Pferd können sich ähnliche Situationen ergeben, wenn beispielsweise durch Hilfsmittel oder zu starke Bewegungen zu viel Druck auf das Pferd ausgeübt wird und dadurch sowohl beim Menschen als auch beim Pferd negative Emotionen hervor gebracht werden. Dies führt meistens zu einem emotionalen Ungleichgewicht und zu inneren Anspannung, und das wird aus meiner Sicht vom Pferd auch so erlebt.

Es war ein grosser Verdienst des Begründers des Aikido, Morihei Uyeshiba (1883 – 1969), diese Spirale aus Gewalt und Gegengewalt zu erkennen und mit Aikido einen Weg zu beschreiben, wie diese durchbrochen werden kann. Mit großem Respekt und Dankbarkeit an den Begründer verbinden wir diesen Leitgedanken mit unserem Horsemanship, um diese hilfreichen Mittel und Lehren interessierten Pferdemenschen zugänglich zu machen.

Ausdruck entwickeln

In der Kampfkunst und auch im Ausdruckstanz sind wir in Kontakt mit einem Gegenüber. Dieser Austausch ist wie ein ständiger Strom der Wahrnehmung von Bewegungen und ein Fühlen des anderen Körpers. Dieser Strom wird am stärksten von einem intellektuellen Denken blockiert. Verlieren wir den Kontakt zu unserem Trainingspartner oder zu unserem Pferd, ist unsere Zentrierung auf mentaler und auch physischer Ebene schnell aus dem Gleichgewicht. In der Kampfkunst ist der Körperkontakt wie eine Brücke. Diese Brücke hält den Austausch und den Fluss von Information aufrecht.

Ein Schüler lernt im HorseAiKiDo, durch den Kontakt mit einem Trainingspartner die Blockaden und Öffnungen in der Bewegung zu spüren und diese umzuwandeln, zu nutzen und umzuleiten.

Die Erfahrungen in einem solchen Training erleichtern später die feine Reitweise und sind auch die Grundlage des Natural Horseback Archery, das freihändige Reiten ohne Sattel und Zügel mit Pfeil und Bogen.

Ausdruck entwickeln

Musik und Rhythmus sind hervorragende Mittel, um wieder in einen Kontakt zu unserer Bewegung und unserem Ausdruck zu kommen. Hier ist es vor allem interessant, unterschiedliche Musikrichtungen auszuprobieren. In unseren Seminaren benutzen wir Trommeln und alles was klingt und tönt, und mit viel Freude wird so der Raum gefüllt.

Wir können einfach wenn wir im Alltag unterwegs sind unsere Wahrnehmung für Rhythmus öffnen und die verschiedenen Eindrücke wie beispielsweise den Blinker beim Autofahren oder die Schritte von anderen Menschen in uns aufnehmen und sie mit Schnalzen der Zunge oder mit dem Klatschen unserer Hände nachspielen.

Die Hilfsmittel als Extension des Körpers

Verwendet man Hilfsmittel wie Stock oder Seil für die Pferdearbeit, sieht man als Aussenstehender oft, dass diese nicht oder zu wenig mit dem Körper des Menschen verbunden sind, und so die Wirkung bei der Anwendung zu gering und ungenau ausfällt. Das Resultat ist eine grobe und unpräzise Kommunikation mit dem Pferd. Zusätzlich fällt es schwer, auf diese Weise ein gutes Timing zu erreichen.

Mein Schwerttrainer meinte einmal dazu: „Ihr habt nun einen sechsten Finger an eurer Hand!“.

Damit meinte er natürlich das Schwert, und dieses als eine erweiterte Extremität des Körpers zu sehen. Diese Sichtweise ändert sehr viel, wenn wir sie im Umgang mit den Pferden und dem Einsatz von Hilfsmittel anwenden. Wir verändern unser Gefühl für einen Gegenstand, die Wahrnehmung des Raumes wird intensiver und grösser, und wir werden die Hilfsmittel so auch anders einsetzen.

Im Kontakt mit dem Pferd sind wir in ständigem Austausch und senden bewusste oder unbewusste Informationen über unsere Bewegungen aus. Der Umgang und die Koordination mit Zügeln, Seilen und Stöcken wird viel feiner, und eine angemessene Wirkung ist schon mit kleinsten Bewegungen zu erreichen.

Das Erleben des Pferdes ist in seiner Welt oft frisch und neu, es lebt von Moment zu Moment. Diese Frische kollidiert oft mit unseren vom alltäglichen Leben abgestumpften Bewegungsmustern, da wir uns heute mehr auf intellektueller als auf körperlicher Ebene betätigen. Durch eine andere Sichtweise und Wahrnehmung unseres Körpers können wir viel leichter dem Pferd begegnen und mit ihm umgehen.

Übungen

Die Vorstellung, dass die Zügel oder das Seil wie unsere Muskelstränge mit unseren Gelenken verbunden sind und unsere Bewegungen möglich machen, kann eine Optimierung der Wirkung dieser Gegenstände ausmachen. Mit dieser gedanklichen Hilfestellung machen wir uns bildlich bewusst, dass da etwas zusammen arbeitet. Oft wird dadurch auch das Nachgeben und das Timing während dem Reiten verbessert.

Dem eigenen Impuls folgen

Es ist aus meiner Sicht sinnvoll, eine offene Haltung und eine spielerische Herangehensweise zum Pferd zu entwickeln, um diese Frische des Momentes zu erhalten und zu kultivieren. Dabei entsteht auch mehr Freude und dadurch eine natürlichere Motivation für Mensch und Pferd.

Eine Voraussetzung dafür ist das Fühlen und Erkennen des eigenen Impulses, um diesem dann unmittelbar und ohne langem Nachdenken zu folgen.

Dadurch entsteht eine Leichtigkeit in der Kommunikation mit dem Pferd, und die Geschwindigkeit des Informationsaustausches steigt erheblich. Durch diese spielerische Art fallen auch Wertungen wie „Richtig“ oder „Falsch“ weg, und „Fehler“ werden nicht mehr als negativ empfunden, sondern werden nur im Moment erkannt und bei der nächsten Gelegenheit in einen neuen Ansatz und somit in eine neue Möglichkeit der Entwicklung gewandelt.

Verbundenheit und Standfestigkeit

Zwischen Pferd und Mensch gibt es ständig eine Art Resonanz – das Ki der Natur fließt, egal ob auf mentaler oder körperlicher Ebene – wie ein unsichtbares Band. Es kann fester sein oder lockerer, wir können es zwischendurch verlieren oder bewusst loslassen und wieder aufnehmen. Dieses Band können wir physisch knüpfen durch ein Seil, einen Zügel oder den Griff in die Pferdemähne, und wir können es durch innere Bilder auch mental knüpfen.

Die Wirkung der inneren Bilder wird häufig unterschätzt, obwohl sie so kraftvoll sind, und meistens nur erkannt, wenn sie negative Auswirkungen haben.

Die Angst vor dem „vorbeifahrenden Traktor“ kann vom Reiter beispielsweise in eine Freude, gemeinsam mit dem Pferd dieses „Ungetüm“ zu jagen und es als Beute zu sehen, umgewandelt werden. Wichtig hierbei ist es natürlich, dieses Bild auch ernst zu meinen und es dann auch zu tun, zumindest ein paar Schritte auf dem Weg.

Ein guter Stand ist ein Muss in der Pferdearbeit.

Wir beobachten: Pferde stehen auf der Weide nebeneinander, mit beiden Vorderbeinen gegenüber oder an der Schulter und „spielen“. Sie zwicken sich gegenseitig und versuchen jeweils der Bewegung des anderen Pferdes auszuweichen und abzutauchen oder die Deckung zu durchbrechen und schneller einen meistens freundlichen Biss an Hals, Brust oder Bein zu setzen.

Dieses Spiel dauert so lange bis einer von beiden einen Schritt weichen muss, da er die Balance verloren hat. Dann wird ärgerlich mit dem Kopf geschüttelt, und das Ganze geht von neuem los. Hier wird täglich im Spiel trainiert und getestet, wie gut die Standfestigkeit der anderen Pferde ist. Dieses Verhalten wird prompt auch mit dem Menschen gespielt und in kürzester Zeit geprüft, wie schnell die Reaktion und wie stabil der Stand des Reiters ist.

Bei der ersten Begegnung schon checken sie unsere Stimmung und unsere innere Haltung, ob wir authentisch und ehrlich sind, wie wir uns bewegen und ob wir verstehen, was sie tun.

Die Kampfkunst kann uns hier lehren, fest mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen, den Körper zu beherrschen und ein Gefühl für den Raum zu bekommen.

Übungen

Festen Boden unter den Füssen zu bekommen können wir überall sehr gut üben.

Zuerst beobachten wir uns, auf welche Weise wir in unterschiedlichen Situationen beispielsweise beim Einkaufen oder bei der Arbeit gehen, und wie sich das Gefühl zum Boden beim Gehen an einem Fluss oder auf einem Waldweg ändert. Diese Beobachtungen machen wir auch mit dem Pferd. Wir können hier mit den unterschiedlichen Erfahrungen spielen und was wir als angenehm empfinden mit dem Pferd gemeinsam nachspielen.

Spiralbewegungen

Eine Besonderheit in unserer Methode sind verschiedene Techniken aus dem Schwertkampf, aus denen wir die „Fussarbeit“ in die Bodenarbeit mit dem Pferd integriert haben. Diese Übungen vereinfachen die eigene Zentrierung und machen eine verbundene Haltung von Ober- und Unterkörper erst möglich.

Die Füße bleiben in Kontakt mit dem Boden und begleiten den sich verschiebenden Körperschwerpunkt. Vor jedem Schritt wird kurz der grösste Teil des Gewichtes auf ein Bein verlagert. Der andere Fuß kann dann frei und fließend versetzt werden. Gleichzeitig werden Füße und Hände in kreisenden Bewegungen miteinander verbunden. Diese Spiralbewegungen haben eine starke „sendende“ Wirkung nach Aussen und eine biegende Wirkung auf das Pferd nach innen.

In diesen Bewegungen entstehen Flieh- und Anziehungskräfte um das Körperzentrum herum. Diese Kräfte können gezielt genutzt werden. In unserer Bodenarbeit nehmen wir die Bewegung des Pferdes auf, verbinden uns mit ihr und machen daraus eine gemeinsame Bewegung.

Diese Technik übertragen wir auch in den komplexen Ablauf des Reitens und der Entwicklung des unabhängigen Sitzes.

Die Kreisbewegungen sind in meiner Arbeit mit Pferden eine Antwort und ein Umgang mit Störungen jeglicher Art. Im HorseAiKiDo lernen die Reiter diese Methoden und bekommen damit effektive Hilfsmittel im Umgang mit „scheinbaren“ Problemen. Dieser Weg schafft eine friedliche Basis und eine Leichtigkeit im Umgang mit dem eigenen Pferd.

Der unsichtbare Faden

Das Prinzip ideal koordinierter Bewegung und Energie

Die häufigste Frage die in den Seminaren und der Pferdeausbildung gestellt wird ist, was denn der Unterschied zwischen der herkömmlichen Bodenarbeit und dem HorseAiKiDo ist.

Zum Einen ist es die Sichtweise gegenüber dem Pferd und das Verstehen der eigenen Bewegungsmuster. Das Wissen wie eine Bewegung überhaupt entsteht und die Fähigkeit, diese präzise und bewusst umzusetzen hat eine sehr große Einwirkung auf die Pferde. Diese Methode erweitert das allgemeine Horsemanship und arbeitet in Bereichen, die von aussen unsichtbar erscheinen. Die positiven Erlebnisse die dadurch für Pferd und Reiter entstehen, greifen direkt in die Kommunikation ein und klären, befrieden und stärken beide.

Selbstbewusstsein und Wohlwollen werden dadurch entwickelt und gefestigt.

Die innere Einstellung im HorseAiKiDo ist tief verbunden mit der Vorstellung der Gleichwertigkeit allem Lebendigen gegenüber. Erforschen wir die Urquellen der Reitkunst und der Pferdevölker in Asien oder in Amerika, können wir diese Einstellung auch überall wieder finden.

Die Moderne hat Mensch und Pferd und deren Zusammenleben und gemeinsame Aufgaben verändert. HorseAiKiDo kann nützlich sein bei einer Rückbesinnung auf den freien Umgang mit dem Pferd.

(Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 1.07 der PASSION, dem Schweizer Reitmagazin)

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